was bleibt – was ist
portraits in geistiger verbundenheit
2008

 

Bernhard Müller . Gegenüber stehen sich bei ihm hochwertige Produkt- und Werbeaufnahmen und künstlerisch-philosophische Momentaufnahmen von eindringlicher Thematik. Getrennt waren bisher auch die Mittel: für die Kunst der Urtyp der Photokamera, die Camera obscura, und für Auftragsarbeiten High-Tech-Digitalkameras.
Mit einer Rollei-Mittelformatkamera aus dem Nachlass seines Kunstlehrers Franz Lankes und dem bewussten Einsatz analoger Phototechnik begannen sich die Genres zu vermischen.
Einen Impuls für die freie Arbeit gab die Einladung zur Retrospektive von Franz Lankes, für die Bernhard Müllers Formulierung „was bleibt “ was ist“  zum Titel avancierte. Mit dem Anliegen, den abstrakten Begriff der Erinnerung zu visualisieren, griff er auf die Portraitphotographie zurück.
Nach einem Selbstversuch mit Polaroid suchte er zehn Menschen in ihrem privatem Umfeld auf, die in engem Kontakt zu Franz Lankes gestanden hatten, und photographierte sie mit geschlossenen Augen „in Stille und Gedanken an Franz“. Während diese Aufnahmen mit einer 4x5inch-Großbildkamera in einer Langzeitbelichtung von zwei Sekunden eine Zeitspanne einfangen, ist eine weitere Serie von Portraits derselben Menschen mit offenen Augen mit Blitz aufgenommen. Als Schwarz-Weiß-Photos verzichten beide Varianten auf zeitgebundene Effekte oder Hintergründe zugunsten der Physiognomie der Erinnernden.
Sein zentrales Thema „Mensch und Zeit“ “ das er  in seinen früheren Arbeiten vor Augen führte als Dokumentation oder als Versinnbildlichung “ ist hier konzentriert auf den Moment der Erinnerung an Franz Lankes, verstanden als Verbindung im Geist, die sich über zeitliche Dimensionen hinwegsetzt: „Wenn wir an einen Menschen denken, treten wir in Kontakt mit seinem Geist. Wir sehen den Menschen vor uns, sehen die Gesamtheit seines uns bekannten, erzählten, erlebten Wesens, lebend oder verstorben. Der Geist besteht, ist anwesend. Bleibt. Ist. Geist ist Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft“, so Bernhard Müller.
Mit Silbergelatine Baryt-Papier für die Abzüge entschied er sich darüber hinaus für ein Material, das mit einer Haltbarkeit von rund 100 Jahren zu den langlebigsten Photopapieren gehört und auch damit die Fortdauer der Erinnerung unterstreicht.
Bernhard Müllers Interesse für das Menschliche und das Geistige macht seine Bildnisse zu Brennpunkten von Zeit und Erinnerung.

Dr. Birgit Löffler
Kunsthistorikerin